Eine erfolgreiche berufliche Laufbahn und eine eigene glückliche
Familie – der Wunsch von vielen. Doch wie ist das eigentlich miteinanderzu vereinbaren? Ist es möglich, Kinder zu haben und trotzdem Karrierezu machen? Wir haben mit Experten gesprochen.
W
as willst du später einmal machen?“ – eine Frage, die Jugendlichen bereits inder Schulzeit gestellt wird. Spätestens in der ersten festen Beziehung kommtdann die Überlegung auf, ob eigene Kinder infrage kommen. „Viele Frauen und
Männer wollen beides; Familienleben mit der Verantwortung für Kinder und zusätzlich einebefriedigende Berufstätigkeit“, erklärt Marianne Weiß, Sozialpädagogin und Paar- sowie Fami-lientherapeutin von pro familia Augsburg. Jetzt muss eine Entscheidung gefällt werden. Odervielleicht doch nicht?
„Die junge Generation plant oft sehr vorausschauend in die Zukunft, weil sie ihren Kindern vielZuwendung, Zeit und materielle Ausstattung bieten wollen“, sagt Weiß. Allerdings seien man-che Lebensziele weder auf Bestellung, noch mit guter Planung zu realisieren. Es kommt aufmehrere unterschiedliche Faktoren an. Einige können gut mit Stress umgehen, die anderen ha-ben Eltern, die gerne mal aufpassen und dann gibt es noch diejenigen, deren Job so oder so vielFreizeit bietet, wie der eines Lehrers oder einer Lehrerin.
Ein Balanceakt
Alleine die Berufstätigkeit mit Kindererziehung zu vereinbaren, sei schon ein Kunststück,meint Weiß. Was viele vergessen: „Wichtig ist, dass Eltern nach wie vor Spaß haben und im Er-wachsenenleben die eigenen Interessen langfristig nicht aus den Augen verlieren.“ Sabine Sila-schi-Fuchs von der Katholischen Jugendfürsorge der Diözese Augsburg weist darauf hin, dassZeit Qualität ist. „Es sollte sich jeder bewusstmachen, welchen Preis sie bereit sind zu zahlen.Vielleicht ist es auch der falsche Zeitpunkt, die Karrierelaufbahn einzuschlagen.“
Sabine Silaschi-Fuchs arbeitet als Psychologin in der Erziehungs-, Jugend- sowie Familienbera-tungsstelle und hat schon oft Fälle erlebt, bei denen Eltern frustriert waren und kurz vor demZusammenbruch standen. „Wir ermutigen gerne zu einer beruflichen Weiterentwicklung, abernur im Rahmen der realisierbaren Möglichkeiten.“ Weiß sagt, es sei immer ein Balanceakt fürberufstätige Eltern, Karriere und Familie unter einen Hut zu bringen. Vor allem dann, wenn dieMöglichkeiten zur Kinderbetreuung eingeschränkt seien.
„Viele Schwangere melden sich bereits vor der Geburt in Krabbelgruppen an und sind ganz ver-zweifelt, weil es zu wenige Plätze gibt“, erzählt Weiß. Genauso sei es mit der Betreuung vonSchulkindern nach der Unterrichtszeit. Eltern können sich jedoch nicht auf den Job konzentrie-ren, wenn die Kinder nirgends untergebracht werden können. In dem Fall heißt es, eine andereLösung zu finden, wie beispielsweise Familienmitglieder oder Freunde, die aufpassen können.„Nicht viele Familien haben dieses Glück“, sagt Weiß.
Fakt ist: Es kommt immer auf die jeweilige Situation an. Dabei spielen nicht nur das Zeitma-nagement und der persönliche Zustand eine Rolle, sondern auch, wie sich das eigene Kind ver-hält. „Wer sich mehr Zeit für den Job nehmen will, sollte berücksichtigen, wie sich die Kinder imLaufe der Zeit entwickeln“, meint Silaschi-Fuchs. „Es gibt welche, die sich gerne alleine beschäf-tigen und sehr selbstständig sind, während andere mehr Zuwendung brauchen.“ Wenn dasKind durch die fehlende Aufmerksamkeit leidet, bringe das keinem etwas.
Studieren mit Kind
Ein anderes, aber ähnliches Thema ist das Studieren mit Kind. Eine Schwangerschaft währenddem Studium ist oftmals nicht gewollt, da wenig oder kein Geld zur Verfügung steht. Bei derHochschule Augsburg waren es seit 2015 durchschnittlich 45 Studentinnen im Jahr, die einKind bekommen haben. „Wir bieten studierenden Eltern viele Angebote, um ihnen die Verein-barkeit von Studium und Familie zu erleichtern“, sagt Verena Kiss von der Pressestelle derHochschule Augsburg. Dennoch sei ein Studium mit Kind immer eine Herausforderung.
Tatsächlich gibt es auch viele Eltern, die sich im Nachhinein für ein Studium entscheiden. „Stu-dieninteressierten, die schwanger sind oder bereits ein Kind haben, empfehlen wir, sich vorabmit den FachstudienberaterInnen in den Fakultäten in Verbindung zu setzen“, erklärt Kiss.„Diese können im Hinblick auf die einzelnen Studiengänge Auskunft darüber geben, welcheMöglichkeiten bestehen, den Studienplan variabel zu gestalten und anzupassen.“ Außerdemgebe es bei der Hochschule Eltern-Kind-Räume sowie Elternparkplätze.
Bezüglich der finanziellen Unterstützung, gibt es viele unterschiedliche Angebote für studie-rende Eltern: „Den Kinderbetreuungszuschlag beim BAföG, den Unterhaltsvorschuss des Ju-gendamtes, zahlreiche Stipendien und Kredite.“ Genauso sollten sich bereits vor der Bewer-bung Gedanken um die Kinderbetreuung gemacht werden. „Es gibt zum Beispiel die Kinder-krippe der Elterninitiative Kindernest e.V. in Hochschulnähe“, sagt Kiss. Dort würden bevorzugtKinder von Beschäftigten und Studierenden aufgenommen werden.
„Studieren mit Kind ist eine Doppelbelastung, die aber mit einer guten Organisation undStruktur durchaus zu meistern ist.“ Eine gute Studienplanung sei dabei das A und O, meintKiss. Die Hochschule Augsburg ermutige ihre studierenden Eltern, sich über die internen Ser-viceleistungen zu informieren. Kiss appelliert: „Sie sollen sich nicht scheuen, die bestehendenUnterstützungsangebote in Anspruch zu nehmen.“ Außerdem bestehe die Möglichkeit, sich einUrlaubssemester zu nehmen, falls es mal zu stressig werden sollte.
Kiss erzählt: „Gerade die vergangenen Monate waren für viele Studierende mit Kind besondersherausfordernd.“ Aufgrund der Corona-Pandemie haben StudentInnen zuhause nicht nur anOnline-Vorlesungen teilnehmen, sondern sich zeitgleich um die Kinderbetreuung kümmernmüssen. Andererseits hätten sich auch neue Möglichkeiten ergeben: „Termine und Sprechstun-den mit Dozierenden konnten von zuhause aus wahrgenommen und aufgezeichnete Vorlesun-gen flexibel abgerufen werden“, erklärt Kiss.
Wie sieht es mit Alleinerziehenden aus?
Gerade wenn feste Termine anstehen ist es gut, einen Partner oder eine Partnerin zu haben, dieeinem unter die Arme greifen können. Alleinerziehende haben es in der Hinsicht nicht soleicht. „Es fehlt an Unterstützung in der Erziehung und im Haushalt“, erklärt Silaschi-Fuchs.Weiß sagt: „Alleinstehende Elternteile konzentrieren sich meist sehr auf die Bedürfnisse derKinder.“ Die Karrierelaufbahn kommt für sie daher selten infrage. Sie nehmen meist das, wassie kriegen können, denn ihre Kinder haben Vorrang.
„In diesem Fall zahlt es sich besonders aus, wenn mit dem anderen Elternteil verlässliche undfriedliche Absprachen bezüglich der Kinderbetreuung möglich sind“, meint Weiß. Das unter-stütze dann auch die Berufstätigkeit der Eltern. „Andererseits“, erzählt Silaschi-Fuchs, „habeich aber schon miterlebt, wie Alleinerziehende sich mit viel Kreativität ein berufliches Stand-bein aufgebaut haben.“ Einige hätten sich sogar selbstständig gemacht. „Das ist bewunderns-wert, hängt aber stark von den äußeren Umständen ab", sagt sie.
Es ist okay, beides zu wollen
Heutzutage muss also nicht zwischen Karriere und Kind entschieden werden. Beides ist mög-lich. Wichtig ist aber, miteinander zu reden und sich abzusprechen. „Wenn das Kind über dieBetreuung informiert ist, entsteht Vertrauen und es wird sicher auch das nächste Mal akzep-tiert, wenn die Mama oder der Papa wegmuss“, erklärt Weiß. Genauso sollte Rücksprache mitdem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin gehalten werden. Dazu gehört, welche Möglichkeitenoffenstehen und wie das mit dem Elterndasein zu vereinbaren ist.
Wenn der Job schwierig mit dem Familienleben konformgeht und die Karriere mehr zur Belas-tung als zur Freude wird, sollte sich überlegt werden, ob das die Mühe überhaupt wert ist. „Essollte dabei nie zu viel auf der Strecke bleiben“, meint Silaschi-Fuchs. Weiß gibt außerdem zubedenken, dass sich der Gemütszustand der Eltern oder des Elternteils oftmals auf das Kindübertrage. „Wenn die Eltern gestresst und angespannt sind, sind die Kinder meist in einer ver-gleichbaren Verfassung“, sagt sie. Genauso ist es andersrum.
Viele Frauen und Männer wollen beides;Familienleben mit der Verantwortung für Kinderund zusätzlich eine befriedigende Berufstätigkeit.
Marianne Weiß,
Sozialpädagogin und Paar- sowie Familientherapeuthin
Wir ermutigen gerne zu einer beruflichenWeiterentwicklung, aber nur im Rahmen derrealisierbaren Möglichkeiten.
Sabine Silaschi-Fuchs,
Psychologin
Würden sie für ihre karriere auf die gründung einer familieverzichten?
Ja
23,8%
Nein
73,2%
%: Anteil der befragten Akademiker
Weitere Informationen: Deutschland; TNS Infratest; 1.007 Befragte;Studenten ausgewählter Studiengänge
Quelle: Continental AG ⓒStatista 2019
Studieren mit Kind ist eine Doppelbelastung, dieaber mit einer guten Organisation und Strukturdurchaus zu meistern ist.
Verena Kiss,
Pressestelle Hochschule Augsburg
Ich habe schon miterlebt, wie Alleinerziehendesich mit viel Kreativität ein beruflichesStandbein aufgebaut haben.